Im Rahmen der Kursreihe „Muslime und Religionsfreiheit in Deutschland“ fand in einer zweitägigen Veranstaltung vom 14.-15. Januar 2023 das dritte Treffen statt. „Religionsverfassungsrecht – Einführung und Überblick“ war der Titel der vergangenen Veranstaltung.
In einem einführenden Vortrag stellte Prof. Dr. Felix Hammer von der Diözese Rottenburg-Stuttgart das deutsche Religionsverfassungsrecht vor. Dabei ging er auf die historische Entwicklung des deutschen Verfassungssystems ein und erklärte ihre internationale Einbindung, insbesondere im europäischen Einigungsprozess. Er stellte die Rechtsgrundlagen des Religionsverfassungsrechts auf Landes-, Bundes und europäischer Ebene vor, erklärte ihre tragenden Prinzipien und zeigte die im Religionsverfassungsrecht verankerte Regelungen auf. Schlussfolgernd hielt er fest, dass das Ziel des deutschen Religionsverfassungsrechts die Entfaltung des Religiösen in Freiheit und unter dem Schutz des Staates sei.
Anschließend warf Dr. Abdurrahman Reidegeld eine islamisch-theologische Perspektive auf das Religionsverfassungsrecht. Er orientierte sich an bisherige Beispiele aus der islamischen Geschichte und stellte strukturelle Merkmale auf, die muslimische Gemeinschaften in der Öffentlichkeit hatten. Aus seiner Untersuchung derivierte Dr. Reidegeld Möglichkeiten für die Etablierung einer organisierten, sichtbaren und transparenten religionsgemeinschaftlichen Ordnung.
Darüber, wie religionswissenschaftliche Gutachten zustande kommen und über deren Funktion in Statusverfahren referierte Dr. Jörn Thielmann von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in seinem Vortrag über Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in gemeinsamen Angelegenheiten. Prof. Dr. Stefan Muckel von der Universität zu Köln konzentrierte sich in seinem Vortrag auf religionsverfassungsrechtliche Gutachten in Statusverfahren über die Aneignung des körperschaftlich-rechtlichen Status von islamischen Religionsgemeinschaften. Er stellte zunächst klar, dass das Religionsverfassungsrecht funktional an die Verwirklichung der Religionsfreiheit angelehnt sei. Er erklärte Rechte und Grenzen des Staates und der Religionsgemeinschaften insbesondere im Zusammenhang mit der Verleihung des Körperschaftstitels des öffentlichen Rechts. Er betonte die Freiheit der Religionsgemeinschaften über die Bestimmung ihrer Grundsätze und die Verantwortung des Staates Entscheidungen über weltliche Angelegenheiten säkular zu fällen.
Auf einem anschließenden Podium diskutierten Prof. Dr. Stefan Muckel, Dr. Jörn Thielmann und Bekir Altaş (Präsidiumsmitglied der IGMG) über den Stand gutachterlicher Anerkennungsverfahren in den Bundesländern. Eine zentrale Feststellung des Podiums war es, dass die gutachterlichen Anerkennungsverfahren in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich schnell verlaufen. Es gäbe Beispiele für vereinfachte Anerkennungsverfahren. Dies könnte auch in Zukunft wieder geschehen. Wichtig sei es, die Leistungen islamischer Religionsgemeinschaften sichtbar zu machen.
Am nächsten Veranstaltungstag thematisierte Prof. Dr. Uwe Kai Jacobs von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Staat- und Verwaltungsverträge zwischen Bundesländern und Religionsgemeinschaften in gemeinsamen Angelegenheiten. Er verwies auf Herausforderungen und Veränderungstendenzen im Gesamtkonstrukt der Kirchenverträge und betonte, dass Verträge als Zeichen der Wertschätzung eine bedeutende Form der Kooperation seien, die das Feld der Interaktion und Begegnungen zwischen den vertragschließenden Parteien regeln würden.
Auf dem abschließenden Podium diskutierten Prof. Dr. Uwe Kai Jacobs, Nurhan Soykan vom Zentralrat der Muslime und Fatih Yildiz von der Schura Hamburg über Staatsverträge und den Körperschaftstitel des öffentlichen Rechts. Prof. Jacobs machte deutlich, dass Verträge nicht als Alternative zum Körperschaftstitel zu verstehen seien. Fatih Yildiz reflektierte die Entwicklung des Hamburger Staatsvertrags kritisch. Nurhan Soykan bemerkte kritisch die trotz Vertragsschließungen weiterhin bestehenden Bürden, die islamische Religionsgemeinschaften in Kooperationsversuchen mit staatlichen Stellen weitertragen würden.