In der zweiten Veranstaltung unserer Reihe „Muslime und Religionsfreiheit in Deutschland“ ging es um das Thema „Muslimisches Leben in Deutschland als Gegenstand von Integrations- und Sicherheitsdebatten“. In einer Online-Sitzung am Samstag referierten vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über unterschiedliche Dimensionen des Diskurses.
Im ersten Vortrag führte Prof. Dr. Werner Schiffauer von der Europa-Universität Viadrina in die Thematik der sicherheitsrelevanten Wissensproduktion ein. Dabei machte er auf die Problematiken des Sicherheitswissens aufmerksam. Was einmal Gegenstand eines Sicherheitsdiskurses geworden sei, könne diesem kaum noch entkommen. Sicherheitswissen sei nicht nur beschreibend, sondern konstituiere den Umgang mit dem gesellschaftlichen Feind. Folglich bedeute dies eine strengere und inspizierende Beobachtung als verdächtig markierter Gemeinschaften.
Im zweiten Vortrag stellte Prof. Dr. Schirin Amir-Moazami von der Freien Universität Berlin die Problematiken der wissenschaftlichen Erforschung von Muslimen dar. Sie untersuchte Formen und Formate der Wissensproduktion und wie sie Teil des Diskurses über den Islam sind. Dabei griff sie sowohl die Arten und Weisen der Beforschung von Muslimen, die Konstruktion von Minderheiten und die Beziehung von Beforschten und Forschenden auf, als auch inwiefern Fragen aus der Forschung den (Un-)Möglichkeitsraum des Sprechens bestimmten.
Im Anschluss referierte Prof. Dr. Dirk Halm (Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung, ZfTI) über den wissenschaftlichen Integrationsdiskurs. Hier stellte er seine Auswertung über den Einfluss muslimischer Religiosität auf die gesellschaftliche Integration von Einwanderern in Deutschland vor. Berücksichtigt wurden die Dimensionen Sozialintegration, Kohäsion und die Rolle von Diskriminierung. Seinen Vortrag endete er mit Empfehlungen für die zusätzliche Förderung der Integration von Muslimen.
Im vierten und letzten Vortrag ging Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani auf die Frage der Selbstverortung der Muslime in Integrations- und Sicherheitsdebatten ein. Er thematisierte das Aufwachsen in Spannungsfeldern und den in seinen Anfängen fortschrittlichen, doch im Verlauf der Zeit umstrittenen Begriff des „Migrationshintergrunds“. Dem Diskurs würden Muslime unterschiedlich entgegnen: Mit Blick auf ihre Funktionalität im öffentlichen Raum widersetzen sich manche dem Blick auf ihre religiöse Orientierung, denn diese solle keine Rolle spielen. Andere betonen ihren Stolz auf ihre religiöse Zugehörigkeit. Dekonstruktive Positionierungen hingegen stellen den Diskurs und ihre an Muslime gerichteten Erwartungen und Machtstrukturen in Frage. Diese drei Positionierungen würden sich zunehmend versöhnen, was sich quantitativ in der größeren Vereinslandschaft und qualitativ in der immer breiter aufgestellten Selbstprofessionalisierung und Selbstrepräsentation widerspiegele.
Zwischen jedem Vortrag hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und zu diskutieren und im Anschluss ihre Fragen und Ansichten an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu richten.
Zum Schluss wurde die Veranstaltung mit einem Online-Podium, in der die verschiedenen Perspektiven zusammengeführt und über Ausblicke diskutiert wurde, abgerundet. Bei dem Podiumsgespräch nahm auch Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) teil.