„Die jüngsten Äußerungen und Forderungen von einigen politischen Verantwortungsträgern sind verletzend und herabwürdigend. Das so an den Tag gelegte Integrationsverständnis galt schon zu Beginn der 90er Jahre als überholt. Wer gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernehmen möchte, der muss die Gesamtgesellschaft in ihrer Vielfalt ansprechen und überzeugen können“, sagte der Generalsekretär des Islamrates, Murat Gümüş, anlässlich der erneut angestoßenen und teilweise populistisch geführten Integrationsdebatte.
Die Bilder von einigen Chaoten aus der letzten Silvesternacht sind ärgerlich und besorgniserregend. Die Debatte, die nun darüber geführt wird, ist einseitig und schürt Ressentiments gegenüber Personen mit Migrationsgeschichte. Stereotypisierungen, der Versuch über eine Namensabfrage sich bestätigen zu lassen, dass es sich bei den Chaoten aus der Silvesternacht mehrheitlich um allochthone Deutsche handelt und Sprachverbotsforderungen auf dem Schulhof sind Merkmale eines überkommenen Gesellschafts- und Integrationsverständnisses.
Ob Pascha, Prinz oder Prinzessin: Alle Eltern versuchen zunächst immer das Gute in ihren Kindern zu sehen. Ob Max, Abdul, Ali oder Sven. Wer ein Chaot ist, ist ein Chaot. Egal welche Staatsangehörigkeit oder Herkunft er oder sie hat. Und wenn sich jemand außerhalb des Unterrichts sich in einer anderen Sprache mit seiner/ihrer Klassenkameraden bzw. Klassenkameradin unterhalten möchte, dann ist das eine persönliche Entscheidung, die es zu respektieren gilt.
Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft mit einem Anteil von Personen mit Migrationshintergrund von 25 Prozent und einer immer pluraler werdenden Religionslandschaft. Wer für Deutschland Verantwortung übernehmen möchte, muss sich dieser Pluralität bewusst sein und sie akzeptieren. Das bedeutet auch, dass wenn Fehlverhalten und soziale Problemlagen angesprochen werden, dass diese nicht nach Herkunft oder Religionszugehörigkeit essenzialisiert oder kulturalisiert werden. Die Relevanz von strafrechtsrelevantem Verhalten darf nicht nach Herkunft oder Kultur beurteilt werden. Wenn eine Handlung strafbar ist, dann sollte sie auch durch den Rechtsstaat verfolgt und bestraft werden.
Nur eine solche Perspektive kann sowohl innenpolitischen als auch außenpolitischen Herausforderungen gerecht werden können. Und dafür müssen insbesondere in Vierteln und Regionen, in denen Jugendliche unter struktureller Perspektivlosigkeit leiden schulische und außerschulische Angebote unterbreitet werden, damit diese Jugendlichen ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Das gilt nicht nur für Neukölln, sondern für alle Regionen, ob mit mehrheitlich Personen mit oder ohne Migrationshintergrund.“
Köln, 13.01.2023