„Es gibt Redebedarf. Und wir werden diskutieren“, erklärt Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland. Anlass ist ein Beitrag von Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Fremde Federn) vom 27.11.2018. Burhan Kesici weiter:
„Die jüngsten Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer zur bevorstehenden Deutschen Islamkonferenz begrüßen wir. Sie sind im Ton freundlich und in der Sache bestimmt. Sie geben eine klare Richtung vor und nennen konkrete Handlungsbedarfe. Der Islamrat wird diesen Prozess und den Austausch wie gewohnt kritisch und wie bisher konstruktiv begleiten und mitgestalten.
Denn: Wenn wir über die Gestaltung der Integration von Muslimen reden sollen, so werden wir auch darüber reden müssen, dass der Islam in Deutschland leider immer noch geprägt ist von flächendeckenden Kopftuchverboten, was in vielen Bereichen Berufsverboten gleichkommt, gesellschaftliche Ausschlussmechanismen auslöst und im Ergebnis maßgeblich zu einer immer weiterwachsenden Islamfeindlichkeit beiträgt. Vor diesem Hintergrund wird auch die Frage zu diskutieren sein, was die ‚Lebensart unseres Landes‘ sein soll?
Wir werden erörtern müssen, wie wir in Zukunft über Muslime und den Islam diskutieren wollen, welchen Weg wir einschlagen und beibehalten wollen, weit über die Auftaktveranstaltung der Deutschen Islamkonferenz hinaus sowie auch und insbesondere vor Wahlen.
Wir werden auch darüber reden müssen, ob und inwieweit es sinnvoll ist, einen Islam etablieren zu wollen, der sich an einer nationalen Identität orientiert. Wenn es in Zukunft ‚deutsche Muslime‘ geben soll, wird es zwangsläufig Muslime geben, die nicht ‚deutsch‘ oder ‚deutsch genug‘ sind, also ‚ausländische Muslime‘? Wir werden darüber reden müssen, ob das die Integration fördert oder neue Ausschlussmechanismen installiert.
Und wie verhält sich dann noch die Kritik an den mehrheitlich türkeistämmigen islamischen Religionsgemeinschaften, sie seien zu ‚türkisch‘, wenn nun gefordert wird, sie sollten doch bitte ‚deutsch‘ sein? Das ist die Kehrseite derselben Medaille.
Die Mitglieder des Islamrats unterhalten Moscheen weit über die deutschen Grenzen hinaus. Insofern verstehen sie sich nicht als deutsche oder europäische Muslime, sondern als Muslime, die sich nicht an nationalen Identitäten orientieren, sondern an ihren Glaubensgrundsätzen. Gleichwohl sind sie in ihren Ländern beheimatet. Sie sind Deutsche, Franzosen, Amerikaner, Australier oder Türken bzw. haben hybride Identitäten. Sie definieren sich individuell und aus eigenem Selbstverständnis heraus; keines steht über dem anderen, keines ist besser oder schlechter. Hier verbietet sich jede Bewertung.
Und selbstverständlich werden wir auch über die Imamausbildung reden. Ja, auch wir haben ein Interesse daran, dass Imame in Deutschland ausgebildet werden. Der Islamrat und seine angeschlossenen Landesverbände haben bereits über viele Jahre Strukturen aufgebaut und bilden bereits ihrem Selbstverständnis entsprechend Imame aus. Dem Handlungsspielraum des Staates sind in diesem Bereich von Verfassungswegen enge Grenzen gesetzt, was bei der Diskussion nicht unberücksichtigt bleiben darf. Die Imamausbildung ist und bleibt Sache der Religionsgemeinschaften. Sie können sich ihre Kooperationspartner selber aussuchen, sofern sie den Bedarf dazu sehen.
Auch die vierte Phase der Deutschen Islamkonferenz bietet eine Chance, den Islam in Deutschland weiter zu beheimaten. Dies wird in der Gesellschaft allerdings nur dann fruchten, wenn der Konsens überzeugt. Sie kann überzeugen, wenn sie sich an die von der Verfassung vorgegebenen Regeln hält und keine Sonderwege einschlägt oder Sonderrechte bzw. Sonderpflichten auferlegt, sondern Normalität vermittelt.“